Panel
Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs
Ergebnisse der Fallstudie werden vorgestellt
Bedeutung vertraulicher Anhörungen bei der Kommission und Berichte für institutionelle und individuelle Aufarbeitung wird diskutiert
Was lernen wir aus den Erfahrungen der Betroffenen für die heutige Arbeit der öffentlichen und freien Jugendhilfe?
Die Bedeutung der Institution Jugendamt als gesellschaftlich verantwortlich für den Kinderschutz und die einzigartige Möglichkeit des Jugendamtes, bei sexueller Gewalt in Familien Einblick zu gewinnen, waren Anlass für die Aufarbeitungskommission, eine Fallstudie in Auftrag zu geben.
Fallstudien gehören zu den Instrumenten der Aufarbeitungskommission des Bundes, mit denen sie ihrem Auftrag nachkommt: „sämtliche Formen sexuellen Kindesmissbrauchs in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR ab 1949 zu untersuchen“ sowie „Tatsachen offenzulegen, Verantwortlichkeiten zu identifizieren und Wege zur Anerkennung des Unrechts aufzuzeigen“. In einer systematischen Analyse der Protokolle vertraulicher Anhörungen und schriftlicher Berichte von Erwachsenen, die in ihrer Kindheit und Jugend sexuelle Gewalt erlebt haben, wurden Erkenntnisse gewonnen, wie sich in der Vergangenheit die Arbeit von Jugendämtern auf das Auftreten und die Beendigung von sexuellem Missbrauch sowie die Bearbeitung der Folgen ausgewirkt hat und wie daraus für die heutige Praxis gelernt werden kann. Auch die Schnittstelle zu den Familiengerichten wurde betrachtet. Die empirischen Auswertungen zeigen fachliche Probleme in der Vergangenheit auf, die zum Teil heute noch fortbestehen: einerseits Schilderungen von guter Fachpraxis und positiven Hilfeverläufen, die ermutigen und bestärken, andererseits werden klare Defizite deutlich, aus denen dringend gelernt werden muss. Gelingt der Schutz nicht, sind die Betroffenen zum Teil jahrelang der gewaltvollen Situation ausgesetzt mit weitreichenden Folgen für ihr Leben. Fachkräfte, die schützend eingreifen wollen, standen zum Teil vor hohen Hürden. Es gelang oft nicht, die sexuelle Gewalt zu erkennen und die Manipulationen von Tätern und Täterinnen zu durchschauen. Es gelang auch oft nicht, Ängste der Kinder und Jugendlichen zu überwinden und das notwendige Vertrauen aufzubauen, das für sie die Voraussetzung gewesen wäre, sich anzuvertrauen. Und für viele Betroffene war das Jugendamt erst einmal mit Angst verbunden. Täter bzw. Täterinnen schürten diese Angst gezielt. Eine zentrale Erkenntnis der Studie ist, dass immer wieder Hilfe möglich gewesen wäre, aber ausgeblieben ist. Um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendämter zu sensiblem und fachlich kompetentem Vorgehen zu befähigen, braucht es gute Aus- und Fortbildung und die Bereitschaft schützend einzugreifen. Dies ist auch heute nicht selbstverständlich. Die Fallstudie gibt Hinweise, wie Schutz gelingen kann.
Gesellschaftliche Aufarbeitung hat auch die heute erwachsenen Betroffenen im Blick, die sich mit den Folgen der Gewalt in Kindheit und Jugend auseinandersetzen müssen. Betroffene haben ein individuelles Recht auf Aufarbeitung. Die Auswertungen der Fallstudie belegen die Bedeutung, die die Einsicht in ihre Jugendamtsakte für Betroffene haben kann.
Die Ergebnisse der Studie werden diskutiert von Betroffenen, den Autor*innen der Studie und Mitgliedern der Aufarbeitungskommission.
Weiterführende Informationen
https://www.aufarbeitungskommission.de
https://www.geschichten-die-zaehlen.de
https://www.socles.org/fallstudie-jugendaemter-missbrauch
Veranstalter*in
Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs untersucht seit 2016 Ausmaß, Art und Folgen der sexuellen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR
Adressat*innen
Hauptamtliche der Kinder- und Jugendhilfe
Wissenschaft & Lehre